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Zeitzeugengespräch am Koblenz-Kolleg
Geschichte aus erster Hand - Zeitzeugengespräch am Koblenz-Kolleg
Am 11. März 2014 tauchte der Leistungskurs Geschichte der K4 des Staatlichen Koblenz-Kollegs in die Zeit des Dritten Reichs, des Zweiten Weltkriegs und in die Nachkriegszeit ein. Der Zeitzeuge Hans Müller, geboren 1930 in Lahnstein, berichtete auf Einladung unseres Geschichtslehrers Herrn Dr. Heinz vor allem eindrucksvoll von seinen Erlebnissen unter nationalsozialistischer Herrschaft.
Aufgewachsen in einem katholischen, aber politisch neutralen Elternhaus, besuchte er ab 1940 das Gymnasium in Lahnstein. Der Eintritt in die Hitler-Jugend, der verpflichtend war, erfolgte noch im selben Jahr. Dort wurde er allerdings wegen seiner Betätigung in der Kirche zweimal „entehrt“, jedoch berichtete er, dass er die Zeit in der HJ, aufgrund des breit gefächerten Angebots, wie z.B. gemeinsame Spiele und das Einüben von Liedern, eher als angenehm empfand und nicht als aufgezwungene Pflichterfüllung. Die weitere Schulzeit allerdings, nahm er wegen der überfüllten Schulklassen von bis zu 50 Personen, als weniger positiv war. Infolge des Luftkriegs dauerte seine Schulzeit zunächst nur bis 1944 an, da das Schulgebäude durch eine Fliegerbombe beschädigt wurde. Von Emotionen gepackt, beschrieb er den Luftkrieg „als das Schlimmste“. Zunächst nur nachts von britischen Bombenfliegern überflogen, begannen 1943 die Amerikaner ihre Ziele auch tagsüber anzuvisieren, bis schließlich nach der alliierten Invasion im Juni 1944 die Gefährdung der Zivilbevölkerung in den nun verstärkt angegriffenen Städten der Region stieg. Besonders die Bombardierung des nahe gelegenen Koblenz schürte die Angst der Bevölkerung. Von nun an galt es, sich täglich mit dem Kriegsgeschehen auseinanderzusetzen, weshalb ihn seine Mutter über das richtige Verhalten im Falle eines Fliegerangriffs belehrte. Am 11. November 1944 wurden vier Bombenteppiche auf seine Heimatstadt Oberlahnstein gestreut, so dass es die Stadt „fast aus ihren Angeln hob. Die Einschläge rückten immer näher bis das Haus, in dem ich mich befand, getroffen wurde und eine Bombe im Nebenraum explodierte“, schilderte Herr Müller noch immer sichtlich erschüttert. Das NS-Regime versorgte danach die Einwohner ausreichend mit Notquartieren und Nahrung - drastische Hungersnot verspürte er zu dieser Zeit noch nicht. Andeutungen, dass der Krieg verloren werden könnte, waren strengstens verboten, da Propagandaminister Goebbels die Menschen im Glauben ließ, der Krieg könne noch siegreich beendet werden. Ebenso im Dunkeln ließ man die Menschen bezüglich der „Endlösung der Judenfrage“. Die im Rundfunk verbreiteten Nachrichten über das Stauffenberg-Attentat vom 20. Juli 1944 vernahm der Zeitzeuge anfangs wohl mit Schrecken, denn Herr Müller verdeutlichte: „Wäre es gelungen, hätten wir nicht gewusst wie es weitergehen soll“. Zuerst besetzt von den Amerikanern, später dann von den Franzosen, war die Lebensmittelversorgung nach Kriegsende anfänglich noch passabel, bis sich im Winter 1946/47 die Lage änderte und sich der schlimmste Hunger einstellte. Neben dem Mangel an Schulmaterial wurden, aufgrund der beißenden Kälte, schließlich zwei Monate Zwangsferien verordnet. Klarheit über die Geschehnisse unter dem Hakenkreuz erhielten die Deutschen scheinbar erst im Verlaufe der Nürnberger Prozesse. „Bis dato“, erklärte der Zeitzeuge Hans Müller, „war man aufgrund der beschwerlichen Lebensumstände vor allem damit beschäftigt, die eigene Existenz zu erhalten“.
Die hautnahe Reise in die Vergangenheit löste in uns allen Entsetzen, Mitgefühl und Erstaunen aus und schenkte dem Kurs wertvolle Erkenntnisse über das persönliche Erleben und den Umgang der Menschen mit ihren individuellen Schicksalen während und nach der NS-Diktatur!
Wir bedanken uns bei Herrn Müller als Zeitzeugen und unserem Geschichtslehrer Herrn Dr. Heinz, dass wir diese Erfahrung machen durften.
Julia Neif, Xenia Hoppe, K4