News

Workshop zum Thema Digitale Zivilcourage

Referent: Frank Temme, Institut für Medien und Pädagogik e.V. (Mainz)

Am 29.11.2019 hat am Staatlichen Koblenz-Kolleg ein Seminar zur Digitalen Zivilcourage mit den Schwerpunkten Hate Speech und Fake News stattgefunden. Der Grundkurs Deutsch (K3/d1, Kd) und der Leistungskurs Deutsch (K3/D1, Vl) haben daran teilgenommen.

Zunächst ging es um verschiedene Arten von sozialen Medien, die von den Teilnehmern der Gruppe genutzt werden, und die Tatsache, dass Trolle sie häufig missbrauchen, um Hass zu verbreiten.

Dann wurde die Frage behandelt, wie Hass hervorgerufen wird. Schon Wilhelm von Humboldt hat den Zusammenhang zwischen Sprache und Wahrnehmung erkannt und von Sprache als Wahrnehmungsfilter gesprochen. Diese Erkenntnis wird heutzutage ganz gezielt beim sog. Framing in Blogs eingesetzt, bei denen Informationen in einem bestimmten Bewertungsrahmen verbreitet werden. Häufig entstehen in den Kommentaren richtige Hasstiraden, die oft auch bewusst ausgelöst werden, da die Blogger im Voraus wissen, wie die Kommentierenden reagieren werden. Hier besteht die Möglichkeit, Gegenkommentare zu schreiben. Allerdings kann es passieren, dass dann erneut mit Hass kommentiert und die gesamte Diskussion aufgeblasen wird. Hass hat es immer gegeben, im Moment jedoch wird er am stärksten von rechts außen genutzt und koordiniert. 74% der Hate Speeches sind laut BKA im Jahr 2017 von rechts ausgegangen.[1] Interessanterweise sind laut der Studie Hass auf Knopfdruck von #ichbinhier nur 5% aller Accounts für 50% der Likes von Hasskommentaren verantwortlich[2].

In diesem Zusammenhang wurde die Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (GMF)[3] thematisiert, die in der heutigen Gesellschaft weit verbreitet ist. Den Gruppen werden dabei Merkmale zugeordnet, die dazu dienen, sie nicht nur voneinander zu unterscheiden, sondern auch auszugrenzen. So entstehen Rassismus („falsche“ Herkunft), Islamophobie und Antisemitismus („falsche“ Religion und Kultur), Homophobie, Diskriminierung von LGTBQ („abnormale“ sexuelle Ausrichtung), Sexismus (Geschlecht, das „weniger wert“ ist) etc. Durch die Ausgrenzung wird bewusst ein Gegeneinander von innen und außen, Zugehörigkeit und Fremdheit, Freund und Feind konstruiert. Hier wurde geraten, am besten eigene Webseiten zu gestalten, in denen eine andere Meinung verbreitet wird.

Es gibt sogenannte Metaerzählungen, auf die sich Hate Speech zurückführen lässt, etwa: „Die Gesellschaft geht bergab, Deutschland wird abgeschafft. Ziel ist die Vernichtung der Deutschen.“[4] In derartigen Erzählungen findet eine Umkehrung der Positionen von Opfern und Tätern statt. Die Wochenzeitung Die Zeit spricht davon, dass Hass designt wird – zugeschnitten auf den jeweiligen Kanal der Nutzer.[5] Diese verhalten sich offensichtlich – angepasst an die Umgebung - auf unterschiedlichen Kanälen verschieden. Verschwörungstheorien haben dabei die Funktion, Gleichgesinnte zu finden (vgl. Verbreitung der Fake News, Greta Thunberg sei George Soros‘ Enkelin[6]) und Hemmschwellen für Hass und Gewalt zu senken (vgl. Stephan Brandners „Messerbild“, zu dem er fragt, ob die Antifa oder das Zentrum für politische Schönheit nicht sagen könnten, wie er „das Gerät ‚künstlerisch‘ gebrauchen“ könne[7]). Interaktive Seiten wie Der goldene Surensohn[8] dienen dazu, Hass zu verankern.

Was kann man dagegen tun? Hate Speech sollte unbedingt gemeldet werden:

 

Das bewusste Erzeugen von Hass geht mit der Erfindung von Fake News einher. Kennzeichnend für diese ist, dass um ein Fünkchen Wahrheit herum eine Fiktion entsteht. Häufig werden Informationen aus dem Kontext gerissen weitergegeben, schwer nachprüfbare Behauptungen aufgestellt, komplizierte Erklärungen gegeben und Quellen ausgedacht. Außerdem gibt es in Zusammenhang mit Fake News viel Unterhaltung und wenige „Informationen“, um möglichst viele Follower zu bekommen; bei seriösem Journalismus haben wir dagegen wenig Unterhaltung und einen hohen Informationsgehalt. Ziel bei der Verbreitung von Fake News ist die Rekrutierung und Mobilisierung von Lesern, die Verschärfung des Diskurses, die Erhöhung des eigenen Einflusses oder desjenigen der Gruppe bis hin zur Meinungsführerschaft und schließlich und nicht zuletzt die Steigerung von Werbeeinnahmen.

Was kann man dagegen tun? Nachrichten können und sollen einem Faktencheck unterzogen werden, z. B. bei

https://www.tagesschau.de/faktenfinder/
https://www.geschichtscheck.de/
https://correctiv.org/

 

Ich bedanke mich bei Frank Temme für seine Unterstützung beim Schreiben des Artikels.

Dr. Gabriele Köhl-Dreher

 

 

[3] Zu diesem Begriff siehe Beate Küpper / Andreas Zink: „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“, Bundeszentrale für politische Bildung, 20.10.2015; http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/214192/gruppenbezogene-menschenfeindlichkeit
[4] Johanna Baldauf / Miro Dittrich / Melanie Hermann / Britta Kollberg: Toxische Narrative - Monitoring Rechts-Alternativer Akteure der Amadeu Antonio Stiftung. Initiative für Zivilgesellschaft und demokratische Kultur, https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/publikationen/monitoring-2017.pdf   - S. 12.
[5] Vgl. Daniel Hornuff: „Wie rechter Hass designt wird“, in https://www.zeit.de/kultur/2019-04/hass-im-netz-rechte-hetze-soziale-medien – erschienen 04.04.2019.
[7] Vgl. https://twitter.com/StBrandner/status/939562487741067264 – veröffentlicht am 09.12.2017

 

Zurück